Soft-Robotik-Technologien für Alltagsprodukte

Presseinformation Juni 2014 /

Neuartige Impulse erhält die Robotik durch die Nutzung biologisch inspirierter Technologien: Statt auf steife wird vermehrt auf weiche, nachgiebige und organische Strukturen, so genannte »Soft Robotics« gesetzt. Auf Einladung des Fraunhofer IPA und in Kooperation mit der Gesellschaft für Montage, Handhabung und Industrierobotik (MHI) trafen sich im Juni 2014 in Stuttgart erstmals über 100 internationale Vertreter aus Wissenschaft, Forschung und Industrie, um über die Einsatzgebiete und Potenziale dieser vergleichsweise jungen Disziplin zu diskutieren.

© Fraunhofer IPA
Eröffnung und Fazit: Prof. Dr.-Ing. Alexander Verl.
© Fraunhofer IPA, Christian Hass
Vielfalt an Themen überzeugt die Teilnehmer aus aller Welt

Die »Soft Robotics« wird derzeit weltweit verstärkt als verheißungsvolles Forschungsgebiet wahrgenommen. In zahlreichen Initiativen vor allem in den USA und der Schweiz werden die Technologien bereits in erste Produkte überführt. Angesichts dieser bereits fortgeschrittenen Pionierarbeit im Ausland sollten in Deutschland konsequenter neue Technologiefelder und Chancen für neue Forschungsanstrengungen angegangen und erste relevante Ergebnisse in die Wirtschaft transferiert werden.

»Das »First International Symposium on Soft Robotics in Germany« dient dazu, Wissenschaftler und Unternehmensentscheider zum Informationsaustausch einzuladen, um aktuelle Forschungsergebnisse auszutauschen und Herausforderungen, Produktvisionen und -Chancen zu diskutieren. Mit der Grundeinstellung »Thinking out of the box« sollte der Reaktionsmodus verlassen und in den Aktionsmodus gewechselt werden«, weiß Prof. Dr.-Ing. Alexander Verl, Mitinitiator des Symposiums, ehemaliger Institutsleiter des Fraunhofer IPA und jetziger Vorstand Technologiemarketing und Geschäftsmodelle der Fraunhofer-Gesellschaft in München.

Technologieförderungen zeigen erste Früchte

Dass Deutschland nicht bei null anfängt, zeigen Projekte wie beispielsweise der »Bionische Handling-Assistent«, der im Jahr 2010 mit dem »Deutschen Zukunftspreis« ausgezeichnet wurde. In Anlehnung an den Rüssel eines Elefanten konstruierten Forscher von Festo und dem Fraunhofer IPA unter Einsatz generativer Fertigungstechnologien einen sich »weich« bewegenden, nachgiebigen und deshalb sicheren Robotergreifer mit adaptiven Fingern, der für Aufsehen sorgte.

Mittlerweile gibt es hierzulande diverse Universitäten, Forschungsinstitutionen und Unternehmen, die sich mit den Vorteilen der Bionik in der industriellen Produktion beschäftigen. Am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) werden Themen wie künstliche Haut für Soft-Roboter, Anwendungsgebiete für taktile Näherungssensoren oder tragbare humane Robotersysteme behandelt. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) forscht unter anderem auf dem Gebiet der so genannten »Variable Impedanz Aktuatoren«: Hart im Nehmen und weich in der Interaktion.

Nach Angaben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) wurden im 7. EU-Forschungsrahmenprogramm, das in den Jahren 2007 bis 2013 lief, mehr als 100 Projekte zu den Themen Robotik und kognitive Systeme mit einem Gesamtvolumen von nahezu 600 Mio. Euro gefördert. Einige Projekte davon befassten sich bereits mit der Erforschung und Nutzung der Soft-Robotik-Technologien. Auch im Zentrum des neuen EU-Forschungsprogramms »Horizon 2020« wird angewandte Forschung und Entwicklung (FuE) betrieben, die größtenteils auf sorgfältig erarbeiteten Forschungs-Roadmaps fußt. Weitere FuE-Aktivitäten auf dem Gebiet der »Soft Robotics« werden hier im Kontext von Produktinnovationen erwartet.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit als Schlüssel zum Erfolg

»Soft Robotics« umfasst die bewusste Verbindung zahlreicher Wissenschaftsdisziplinen mit einem Ziel: intuitiver, sicherer und empfindsamer Interaktion. Elektronik, Sensorik und Antriebstechnik werden miteinander verwoben, Systeme anders produziert. Statt konventioneller Montage kommen verstärkt kontinuierliche Verfahren in Betracht. Beispielsweise werden Produkte generativ »wachsend« aufgebaut.

Auch die Nutzung von raffinierten Falt- und Schichttechniken werden zu neuartigen Antrieben und Konstruktionsweisen bei Robotern führen. Neue Produktchancen ergeben sich im Produktionsumfeld mit »Soft Robotics« als »dritte« helfende Hand – im Medizinbereich mit invasiven Mikrorobotern für Diagnose und Therapie sowie am Arbeitsplatz der Zukunft und im Gesundheitswesen mit körpergetragenen Hebehilfen.

»Das Forschungsgebiet »Soft Robotics« muss als Mannschaftsspiel gespielt werden. Hierzu arbeiten Ergonomie-, Biomechanik- und Materialforscher sowie Biomechatroniker vernetzt mit Antriebs-, Software-, Mechatronik-Entwicklern und Produktionstechnikern zusammen. Nach der Grundlagenforschung folgen primäre und sekundäre Wertschöpfungsstufen wie Entwicklung, Konstruktion, Produktion und der Vertrieb von Soft-Robotern«, resümiert Prof. Dr.-Ing. Annika Raatz, Leiterin des Instituts für Montagetechnik der Leibniz Universität Hannover, im Rahmen des Symposiums. »Eine spannende Aufgabe, bei der es gilt, die Nase vorn zu haben.«