Innovatives Fraunhofer-Verfahren ermöglicht flüssigkeitsbasierendes Vereinzeln und Zuführen mikrotechnischer Bauteile

Staubkörner sortieren mit IPA.FluidSorting

Mediendienst Automatica 2014 /

Mit neuen Methoden in Grenzbereiche vorstoßen: Das flüssigkeitsbasierende Vereinzelungssystem »IPA.FluidSorting« erfüllt diesen Auftrag angewandter Forschung für die automatisierte Verarbeitung mikrotechnischer Bauteile. Bei der Vereinzelung, Sortierung und Zuführung empfindlicher Mikrobauteile stößt die konventionelle Vibrationsfördertechnik an ihre Grenzen. Am Fraunhofer IPA wurde deshalb ein neuartiges Vereinzelungssystem zur Industriereife entwickelt, das sich gezielt Oberflächeneffekte in Flüssigkeiten zunutze macht.

»Mit IPA.FluidSorting können wir im Prinzip sogar Staubkörner sortieren«, beschreibt Dirk Schlenker, Gruppenleiter Präzisionsmontage und -auftragstechnik, das von seinem Team entwickelte Verfahren. IPA.FluidSorting ist die Antwort auf die konkrete Nachfrage industrieller Anwender nach einer Technik für die kontaminations- und beschädigungsfreie Vereinzelung, Sortierung und Zuführung von Bauteilen, die haftende Oberflächen aufweisen, sensibel auf mechanische Einflüsse reagieren und bei Abmessungen unterhalb 500 µm mit bloßem Auge kaum noch zu erkennen sind.

Dafür sieht Dirk Schlenker einen großen Bedarf: »Gerade in den Bereichen Mikrosystem und Feinwerktechnik, Mikroelektronik, Medizintechnik und Uhrenindustrie steigt der Einsatz von Automatisierung und integrierter Produktion rasch, während gleichzeitig die zu verarbeitenden Komponenten immer weiter miniaturisiert werden.« IPA.FluidSorting will keine Alternative zu bestehenden und bewährten Techniken sein, sondern Grenzbereiche für die prozesssichere Automatisierung erschließen, in denen konventionelle Fördersysteme nicht mehr funktionieren.

Den Effekt, dass kleine und leichte Komponenten, die auf ein definiert geformtes Flüssigkeitsdepot aufgebracht werden, auf der Oberfläche aufliegen und sich aufgrund der wirkenden Oberflächenkräfte selbst ausrichten, setzen die IPA-Forscher schon seit längerem für innovative Positionierungslösungen ein. Dieses Verhalten, dass die Teile entsprechenend den aus der Natur bekannten Wasserläufern, auf der Flüssigkeitsoberfläche liegen bleiben und bei einer Krümmung der Oberfläche nach unten abgleiten macht sich IPA.FluidSorting für die Vereinzelung und Zuführung zunutze. Die zu verarbeitenden Teile werden aus einem Sammelbehälter gezielt auf die über den Füllstand im Flüssigkeitsreservoir eingestellte Oberfläche der Prozessflüssigkeit aufgetragen. Die Schwerkraft bewegt die schwimmenden Teile in Richtung des Flüssigkeitsrands gegen eine dort angebrachte  wechselbaren Anschlagskante, wo sich die Teile aufreihen. Weist die Kante zusätzlich noch beabstandete Ablagetaschen auf, können die Teile in deren Position bestimmt und damit ein noch höherer Ordnungszustand erreicht werden.

Nach Absaugen der Flüssigkeit, können die so geordneten Teile gezielt und direkt entnommen werden, beispielsweise mit einem Pick-and-Place System, oder für den Weitertransport oder die Lagerung magaziniert werden. Dafür kann die Sortierkante auch als entnehmbares Magazin ausgeführt werden. Für optische Verfahren zur Teileerkennung und Prozessüberwachung kann Dirk Schlenkers Team auf am Fraunhofer IPA vorhandene Kompetenzen zurückgreifen. Wird kontinuierliche Teilezuführung ge wünscht, kann optional das System mit einem Kanal erweitert werden, in dem die Teile durch eine erzeugte Strömung weitertransportiert werden. Prozessstufen für die Trocknung der einsortierten Teile im Luftstrom oder für die Anwendung von Reinstwasser, um die Teile von Rückständen zu reinigen, sind in IPA.FluidSorting ebenfalls realisierbar.

Mehrere Unternehmen haben nach Auskunft Dirk Schlenkers bereits Interesse an dem System angemeldet, das in anderthalbjähriger Forschungsarbeit im Zusammenwirken mit einem Industriepartner weiter perfektioniert und zur Industriereife weiterentwickelt wurde. Für die weitere Entwicklungsarbeit haben sich die Fraunhofer-Experten das Ziel gesetzt, ein aus Grundmodulen und verschiedenen Erweiterungsmöglichkeiten bestehen - des »Baukasten«-System zu schaffen, mit dem eine Vielzahl möglicher Anwendungen effizient und zügig implementiert werden können.

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