Stuttgarter Fraunhofer- und Universitäts-Institute sind Partner der »Allianz Industrie 4.0 BW«

Lernfabrik wird zum Industrie-4.0-Anwendungszentrum ausgebaut

Presseinformation September 2014 /

Mit seinen Fraunhofer- und Universitäts-Instituten ist Stuttgart der europaweit stärkste Forschungsstandort für Produktionstechnik und für angewandte Arbeitswissenschaften. Durch ihre Forschung tragen die Wissenschaftler mit stetigen Innovationen dazu bei, dass bereits heute ein großer Teil der Wertschöpfung und jeder dritte Arbeitsplatz in der Region aus diesem Bereich kommt. Damit das so bleibt, startet auf Initiative des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft Anfang 2015 die Allianz Industrie 4.0 BW. Mit den Institutsleitern Prof. Thomas Bauernhansl als Vize-Vorsitzender und Prof. Wilhelm Bauer als Mitglied sind die Stuttgarter Fraunhofer-Institute IPA und IAO im Lenkungskreis vertreten.

© Fraunhofer IPA
Das Industrie-4.0-Anwendungszentrum zeigt vielfältige Themen im realen Produktionsumfeld.
© Fraunhofer IAO
SkIDentity schlägt eine Brücke zwischen sicheren chipkartenbasierten Ausweisen und dem Markt des Cloud-Computings.

»Wir haben hier an der Universität Stuttgart eine weltweit einzigartige Lernfabrik für wandlungsfähige Produktion, die bereits viele cyber-physische Systeme integriert hat. Jetzt werden wir das zu einem Anwendungszentrum für Industrie 4.0 ausbauen,« erklärt Professor Thomas Bauernhansl, Leiter der Universitäts-Institute IFF und EEP sowie des Fraunhofer IPA. »Große Firmen wie Festo, KUKA, Hewlett-Packard und Siemens integrieren ihre Lösungen wie Maschinen oder Software in das vom Fraunhofer IPA, Fraunhofer IAO, dem IFF und IAT der Universität Stuttgart gemeinsam betriebene Anwendungszentrum und lassen sie von den Wissenschaftlern fit für die Zukunft, fit für Industrie 4.0 machen,« erläuterte er heute im Rahmen der »Industrie-4.0-Rundreise«, die den baden-württembergischen Wirtschaftsminister Nils Schmid und Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Medien auch an das Fraunhofer-Institutszentrum Stuttgart führte. Ziel des Anwendungszentrums sei es, so Bauernhansl, der produzierenden Industrie in Baden-Württemberg eine optimale Unterstützung bei der Umsetzung von Industrie 4.0 zu geben.

Professorin Anette Weisbecker, stellvertretende Institutsleiterin am Fraunhofer IAO, hebt hervor, dass sich mit dem Einzug von Informations- und Kommunikationstechnik die Produktionsarbeit fundamental verändern wird: »Auch bei Industrie 4.0 steht der arbeitende Mensch weiterhin im Mittelpunkt. Veränderte Arbeitsprozesse und zielgerichtetes Miteinander aller Beteiligten ermöglichen es, neue arbeitsorganisatorische Potenziale zu erschließen. Voraussetzung dafür ist jedoch der Aufbau von Industrie-4.0-Kompetenz und zielgerichtete Qualifizierung.«

Verschiedene Kompetenzfelder interdisziplinär unter einem Dach

Gemeinsam mit dem Know-how des Fraunhofer IAO im Bereich Arbeitswirtschaft und Organisation bündelt das Fraunhofer IPA seine Kompetenzen in folgenden Bereichen: Produktions-IT-Architekturen, Smarte Objekte, Human Machine Interfaces, Geschäftsmodelle und Smarte Use Cases sowie Smarte Kommunikation. Zu den industrierelevanten Projekten, die aktuell auch im Industrie-4.0-Anwendungszentrum zu sehen sind und vom Fraunhofer IPA betreut werden, zählen unter anderem »Apps4aME«, »iBin«, »smartWT«, »Virtual Fort Knox« und das neu entwickelte, automatisierte Zuführsystem für die roboterbasierte Vereinzelung für den Griff-in-die-Kiste mit der Software »bp3™«.

Mit dem »iBin« der Firma Würth wird das Schäferkästchen zum intelligenten Instrument. Per Kamera wird der Füllstand zweimal am Tag in das laufende Warenwirtschaftssystem eingespielt. Das sorgt einerseits für einen echtzeitnahen Gesamtüberblick und reduziert andererseits den Bestand und damit auch die laufenden Kosten. Mit dem Instant-Tracking auf der Plattform »Virtual Fort Knox«, die bedarfsgerechte und funktionale IT-Lösungen für produzierende Unternehmen bietet, ist eine flexible, sofort verfügbare und digitale Produktverfolgung möglich. Lauffähig in wenigen Tagen statt mehrerer Monate, frei konfigurierbar durch den Nutzer mit frei wählbarem Funktionsumfang und abgebildet als »Pay-per-use-Modell« statt teurer Lizenzvergaben trifft es den Nerv der Kundenanforderungen. Die vom Fraunhofer IPA entwickelte, cloudbasierte Software für den Griff-in-die-Kiste »bp3™« kann Objekte erkennen und lokalisieren, Greifpunkte berechnen und die Entnahme kollisionsfrei planen. Der Zweiarmroboter kann Werkstücke abwechselnd aus der Kiste greifen und durch den zweiten Arm bei Bedarf sogar umgreifen und präzise ablegen. Taktzeiten lassen sich somit deutlich senken.

Positionierung über Themen wie Selbstorganisation, Identitätsmanagement und Datenschutz

Um die Produktionskapazitäten kurzfristig, hochflexibel und unternehmensübergreifend zu steuern, wird im Forschungsprojekt »KapaflexCy« am Fraunhofer IAO eine selbstorganisierte Kapazitätssteuerung entwickelt. Sie soll es Unternehmen erlauben, ihren ausführenden Mitarbeitern mehr Selbstverantwortung zu geben, indem sie sich bei Entscheidungen direkt beteiligen können, ohne einen Mittler zwischenzuschalten. Zum Einsatz kommen dabei Smartphones und Social-Media-Methoden. So sind die Produktionsmitarbeiter zukünftig aktiv in Entscheidungen zur Einsatzplanung eingebunden und erhöhen in Eigenverantwortung die Flexibilität des Unternehmens.

Im vom BMWi geförderten Projekt »SkIDentity« arbeitet das Fraunhofer IAO mit mehreren Kooperationspartnern an einem effektiven Identitätsmanagement in der Cloud. Wie das in der Praxis aussehen könnte, zeigen die Forscher anhand einer Technologiedemonstration für die Automobilindustrie. Ingenieure der fiktiven Automobilunternehmen und -zulieferer können sich dort mit unterschiedlichen Chipkarten wie Unternehmensausweisen und dem neuen Personalausweis anmelden, um mit unterschiedlichen Berechtigungen im Cloud-Workspace zu arbeiten. Unternehmen müssen dann in Zukunft keine eigenen Karten oder Passwortgeneratoren mehr an Partner oder Zulieferer ausgeben und sparen sich dadurch Verwaltungsaufwand und Kosten.

Für Professor Thomas Bauernhansl liegt der Nutzen der »Allianz Industrie 4.0 BW« auf der Hand: »Für unser Land bietet Industrie 4.0 die besten Chancen, die industrielle Produktion zu halten und auszubauen. Nur intelligent vernetzte Produktionssysteme, die im Internet miteinander kommunizieren, können die notwendige Komplexität in turbulenten Märkten mit einem hohen Maß an regionalisierten und personalisierten Produkten erzeugen und bewirtschaften. Mit der Allianz Industrie 4.0 BW werden wir es schaffen, Leitanbieter von entsprechenden intelligenten und vernetzten Produktionssystemen zu werden und die Flexibilität sowie die Kosten- und Ressourceneffizienz in produzierenden Unternehmen massiv zu steigern.«

Auch auf kritische Fragen nach der Datensicherheit für eine Produktionswelt, in der Milliarden von Dingen via Internet miteinander kommunizieren, hat er eine Antwort: »Wir können die »Schweiz« der Daten werden. Weltweit sind wir bekannt für unsere strenge Datenschutz-Kultur, das schafft Vertrauen. Mit dem Leuchtturm-Projekt »Virtual Fort Knox« hat das Fraunhofer IPA bereits mehrjährige Erfahrungen gesammelt, Daten so sicher zu verwahren, wie die Goldreserven der USA in Fort Knox.«