Reinheitsvalidierung in der Medizintechnik: Als Branche einen eigenen Weg finden

Mediendienst Juni 2014 /

In einer ständig älter werdenden Gesellschaft gewinnen medizintechnische Produkte zunehmend an Bedeutung. Höchste Qualitäts- und Reinheitsanforderungen sind bei ihrer Herstellung notwendig. Doch Reinheit geht weit über die Frage nach der Hygiene hinaus. Am 3. Juli 2014 treffen sich Reinheits-Experten beim Stuttgarter Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA, um den Dialog zur praxisnahen Umsetzung von Sauberkeitsanforderungen voranzutreiben.

© Fraunhofer IPA, Rainer Bez
Spektrum unterschiedlicher Medizintechnikprodukte.
© Fraunhofer IPA
Auf einer Filtermembran extrahierte Partikel (links) und einzelne, kritische Partikel (rechts)
© Fischer Leuchten GmbH, debeos studios
Partikuläre Reinheitsanalyse im Fraunhofer IPA CleanLab

 

Trotz des Einsatzes etablierter Reinraumtechnik können kritische Kontaminationen in Medizintechnik-Produkten nicht völlig ausgeschlossen werden. Rund ein Viertel aller Rückrufaktionen entsprechender Erzeugnisse durch die US Food and Drug Administration (FDA) zwischen 2001 und 2011 erfolgte aufgrund ungenügender Reinheit. Allein in Deutschland liegt der ökonomische Schaden durch Abstoßungsreaktionen des Körpers aufgrund unreiner Medizintechnik-Produkte bei rund sieben Milliarden Euro jährlich. Damit gefährdet der Eintrag von Verunreinigungen durch Personal, Equipment oder Prozessmedien die Sicherheit der Patienten ebenso wie die Zukunft eines Medizintechnik-Unternehmens.

Beim Thema »Sauberkeit« im Kontext von Life-Sciences und Pharmazie liegt das Augenmerk bisher auf mikrobiologischen Kontaminationen. Doch Reinheit umfasst viel mehr als reine Hygiene-Fragen: »Wir denken dabei auch an andere Verunreinigungen wie bspw. Partikel im Allgemeinen sowie chemisch-filmische Rückstände«, sagt Dr. Markus Rochowicz, Leiter der IPA-Gruppe Reinheitstechnik. Ab einer Partikelgröße von 1 µm interessieren sich die Stuttgarter Forscher auch um Dimension und Materialzusammensetzung des Corpus delicti, um Aussagen über dessen Herkunft treffen zu können.

Dem Reflex, bei der Reinheitsproblematik auf typische Vorgehensweisen aus der Pharmazie zurückzugreifen, stellen die Fraunhofer-Spezialisten den Blick auf andere Branchen entgegen: In der Automobilindustrie ist partikuläre Sauberkeit schon lange ein Thema. Gleichzeitig haben Effizienz und Wirtschaftlichkeit einen festen Stellenwert. Daher haben die Autobauer für die Auswahl der richtigen Reinigungs- und Analyse-Methoden feste Vorgehensweisen entwickelt. »Durch das Schielen nach dem pharmazeutischen Bereich wird beim Reinheitsanspruch in der Medizintechnik teilweise übertrieben - hier wird es Zeit, dass ein eigener, praxisnaher Weg gefunden wird«, sagt Fraunhofer IPA Projektleiter Guido Kreck. Hier müsse innerhalb der eigenen Systemgrenzen sinnvoll geplant werden, also maximaler Schutz bei hoher Wirtschaftlichkeit.

Am 3. Juli 2014 lädt das Fraunhofer IPA zu einem offenen Workshop ein, um mit Akteuren der Medizintechnik-Branche gemeinsam wesentliche Fragen zu sicheren Produkten und zur Reinheitsvalidierung zu thematisieren. Dieser Startschuss zum brancheninternen Dialog ist umso wichtiger angesichts der anstehenden Verschärfung des Medizinprodukte-Gesetzes auf europäischer Ebene. (Ulrike Felger)

Braucht die Medizintechnik neue Ansätze für die Reinheitsvalidierung?

Das Fraunhofer IPA ist seit fast 30 Jahren für alle reinheitskritischen Branchen, von der Halbleiterindustrie über die Raumfahrt bis zur Medizintechnik tätig. Diese Erfahrung bildet den Hintergrund beim Wissenstransfer rund um die kontaminationsfreie Produktion sensibler Bauteile. Für die Normierung und Standardisierung von Sauberkeit entwickeln die Reinheitsexperten belastbare Vorgehensweisen und einen zuverlässigen Rahmen für die Produktion. Ihre Expertise setzen die Reinheitsfachleute nicht zuletzt bei Dienstleistungen zur spezifischen Methodenentwicklung sowie bei Aufträgen zur Sauberkeitsanalyse ein.