»Reinheitsvalidierung von Medizinprodukten: Wie sauber ist sauber?«

Mediendienst November 2015 /

In kaum einer Branche ist Reinheit so wichtig wie in der Medizintechnik. Ist z. B. ein Zahn- oder Hüftimplantat zu stark kontaminiert, kann dies die Verwachsung mit dem Knochen stören. Wie sauber die Produkte tatsächlich sein müssen, ist bislang häufig noch unklar. Im Industrieverbund »MediClean« will das Fraunhofer IPA mit den betroffenen Herstellern von Medizinprodukten den Handlungsbedarf im Bereich der Reinheitsvalidierung ermitteln, Lösungsansätze erarbeiten und einen international gültigen und praktikablen Standard etablieren. Am 12. November stellten die Wissenschaftler beim 1. Statustreffen ihre bisherigen Ergebnisse vor.

© Fraunhofer IPA
Sauberkeitsanalyse eines Dentalprodukts.
© Fraunhofer IPA
1. Statustreffen des Industrieverbunds »MediClean« am 12. November 2015 am Fraunhofer IPA in Stuttgart.

Schon vor einigen Jahren bemerkten die IPA-Wissenschaftler, dass die Reinheitsvalidierung in der Medizintechnik noch Fragen offen lässt. »Viele Hersteller wollten in Projekten von uns wissen, wie sie ihre Produkte auf Partikelreinheit prüfen müssen«, erinnert sich Guido Kreck, Projektleiter und Reinheitstechnologe beim Fraunhofer IPA. »Schnell haben wir festgestellt, dass es vor allem im Bereich der Partikelreinheit, aber auch bei chemischfilmischen Kontaminationen, noch keine einheitlichen Vorgehensweisen gibt, die auf das sehr breite Spektrum der Medizinprodukte-Palette anwendbar wäre«, ergänzt er.

Umfrage bestätigt Normierungsbedarf der Industrie

Bevor es mit der Verbundarbeit losging, wollten die IPA-Wissenschaftler mehr über den Bedarf der Industrie herausfinden. Deshalb luden sie Hersteller von Medizinprodukten im Juli 2014 zu einem gemeinsamen Workshop mit Gruppenarbeit und Diskussionsrunden ein. Das Ergebnis bestätigte die Vermutung der Experten: Die Nachfrage der Unternehmen nach einer einheitlichen Vorgehensweise und Akzeptanzkriterien zur Reinheitsvalidierung ist groß – nicht zuletzt weil die Medizinprodukte-Hersteller für ihre Produkte haften. »In den Gesetzen heißt es nur pauschal: Von den Produkten darf keine Gefahr für den Patienten ausgehen. Was darunter zu verstehen ist, bleibt offen. Die Hersteller müssen also eigenverantwortlich die Frage nach der Reinheit ihrer Produkte beantworten«, erklärt Kreck. Einheitliche und international gültige Richtlinien zur Reinheitsvalidierung von Medizinprodukten würden der Branche auf jeden Fall helfen. Da das Fraunhofer IPA in der Vergangenheit schon gute Erfahrung mit Industrieverbünden zur Lösung solcher reinheitstechnischen Fragestellungen gemacht hat – z. B. etablierten die Experten den VDA-Band 19 zur Prüfung der Partikelsauberkeit für die Automobilindustrie – setzen sie auch dieses Mal auf das Konzept. Das Kick-off-Treffen von »MediClean« fand am 26. März 2015 statt. Mittlerweile wirken hier 20 Hersteller von
Medizinprodukten mit.

Richtlinie muss breites Spektrum an Medizinprodukten abdecken

In regelmäßigen Statustreffen will der Verbund ermitteln, welche Kontaminationen überhaupt für welche Medizinprodukte kritisch sind. Außerdem diskutieren die Experten über Wege zu Akzeptanzkriterien, Vorgehensweisen und Prüfverfahren. »Die Reinheitsanforderungen sind dabei für das breite Spektrum an Medizinprodukten sehr unterschiedlich. Beispielsweise muss ein Stent, der in den Blutkreislauf kommt, sicher ganz andere Reinheitsanforderungen erfüllen als Verbandsmittel«, meint Kreck. Um eine Arbeitsbasis für das erste Statustreffen zu schaffen, besuchten die IPA-Wissenschaftler die Unternehmen in den vier Monaten zuvor an ihren jeweiligen Standorten. »Wir haben erfasst, wie aktuell die Reinheitsvalidierung für die unterschiedlichen Produkte in den teilnehmenden Medizintechnik-Unternehmen praktiziert wird«, erläutert Kreck.

Methodenmix soll vereinheitlicht werden

Die genauen Ergebnisse wurden am 12. November vorgestellt und mit den Unternehmen diskutiert. Auf dieser Basis wird nun besprochen, wie man zu einheitlichen Vorgehensweisen kommen kann. Der Abschluss ist für den 9. Juni 2016 geplant. Bis dahin wollen sich die Experten noch weitere vier Mal in Stuttgart treffen. Hersteller von Medizinprodukten können dem Zusammenschluss noch beitreten. Der nächste Termin ist am 19. Januar 2016.