IPA-Innovationspreise zum 23. Mal vergeben

Mediendienst Dezember 2015 /

Seit 23 Jahren lobt das Fraunhofer IPA jährlich Innovationspreise aus. Die interne Auszeichnung würdigt die Leistung der Wissenschaftler und gibt Anreize, neue Entwicklungen für die angewandte Forschung zu realisieren. Die diesjährige Verleihung des Hans-Jürgen Warnecke Innovationspreises fand am 4. Dezember im Rahmen des Innovations- und Gründertags in Stuttgart statt.

© Fraunhofer IPA, Heike Quosdorf

6 Entwicklungen nominierte die Jury zur Präsentation auf dem Innovations- und Gründertag am Fraunhofer IPA, 4 davon zeichnete sie aus. Ein neuartiges Exoskelett, das den Träger bei schwerer Arbeit unterstützt, seine Bewegungsfreiheit aber nicht einschränkt, gewann den 1. Preis. »Hydraulikinstrumente für die minimal invasive Chirurgie« folgten auf Platz 2. Den ersten 3. Preis erhielt ein »Gerät zur automatisierten Virusinaktivierung mittels niederenergetischer Elektronenstrahlung«, den zweiten ein »Neues Werkzeugkonzept und Bearbeitungsverfahren für die Bohrbearbeitung moderner Leichtbau-Werkstoffe«.

 

 

 

1. Preis

»Stuttgart Exo-Jacket – erste Power Assist-Arbeitsjacke für Schwermontage und Logistik«

Exoskelettäre Systeme, die den Menschen bei schwerer körperlicher Arbeit unterstützen, werden in Produktionen und Logistik immer häufiger eingesetzt. Bisherige Lösungen schränken den Träger in seiner Bewegungsfreiheit allerdings stark ein. Besserung verspricht das neue »Stuttgart Exo-Jacket« vom Team um David Minzenmay. Die Anwendung ist mit Antriebsmodulen an den Ellenbogen- und Schultergelenken ausgestattet, die bei Belastungen zusätzliche Energie zuführen, aber auch als Freilaufgelenke nutzbar sind. Ebenso unterstützen Gelenkketten an den Schultern und ein an die menschliche Wirbelsäule angelehntes Rückenmodul passiv, lassen dabei aber alle Bewegungen dieser Körperpartien zu. Auf diese Weise kann der Träger schwere Lasten heben, ohne Einschränkungen durch das Oberkörper-Exoskelett in Kauf nehmen zu müssen. Ein weiterer Vorteil: Da die Motoren bei den Bewegungen nicht permanent aktiviert werden müssen, verbraucht die Anwendung weniger Energie als herkömmliche Lösungen. Außerdem schützt sie Wirbelsäule des Trägers vor falschen Bewegungen und beugt Gelenkschäden durch Überbelastung vor. Eingesetzt werden kann das Exo-Jacket in der Schwermontage und der Logistik. Da das System modular aufgebaut ist, lässt es sich für verschiedene Aufgaben flexibel anpassen. (Weitere Informationen siehe Mediendienst Thema 2, S. 8)

Fachlicher Ansprechpartner
Dr. Urs Schneider | Telefon +49 711 970-3630 | E-Mail senden

 

 

2. Preis

»Hydraulikinstrumente für die minimal invasive Chirurgie«

Bei minimal invasiven Eingriffen etwa im Bauchraum genügen ein oder zwei kleine Schnitte in die Bauchdecke, damit Chirurgen die Instrumente einführen und die Organe mit einem Endoskop sichtbar machen können. Die Endoskopspitze kann der Operateur je nach Ausführungsform abwinkeln. Seilzüge übertragen seine Handbewegungen. Auch die an modernen Endoskopen angebrachten Miniaturwerkzeuge wie Zangen, Klemmen oder Scheren werden über diese sogenannten Bowdenzüge mechanisch gesteuert. »Das erfordert viel Geschick und auch Kraft seitens des Operateurs. Denn durch das Bewegen der Bowdenzüge entsteht Reibung, dadurch wiederum geht Kraft verloren. Die Greifkraft, die an der Spitze ankommt, ist relativ gering. Der Chirurg kann das Gewebe daher weniger präzise manipulieren«, erklärt Timo Cuntz, Wissenschaftler aus der Projektgruppe Automatisierung in der Medizin- und Biotechnologie PAMB in Mannheim. Antriebe mit einer niedrigen Reibung und einer hohen Kraftdichte könnten den Arzt hingegen entlasten. Bei Tests haben sich Werkzeuge mit hydraulischem Antrieb als vielversprechend erwiesen. »Der Chirurg kann sie viel feinfühliger bedienen«, so der Ingenieur. Eine sterile, biokompatible Flüssigkeit aus medizinischem Weißöl in einem Kunststoffschlauch ersetzt die Seilzüge. Hydraulische Zylinder oder Muskeln, die der Chirurg per Handgriff bewegt, üben den erforderlichen Druck auf die Flüssigkeit aus und schieben sie in der Hydraulikleitung gegen einen zweiten Zylinder mit Feder, der wiederum die Endoskopspitze oder das chirurgische Instrument bewegt. Der Vorteil: Der Reibungsverlust ist viel geringer, die Greifkraft fällt höher aus. Bis zu 50 Newton können die Forscher erzielen. Der hydraulische Antrieb spielt seine Stärke vor allem dann aus, wenn es darum geht, die Kraft nicht nur auf geraden, sondern auf langen, gekrümmten Strecken – etwa durch den Verdauungstrakt – bis zur Spitze des Instruments zu übertragen. Entsprechend flexibel können auch die Zuleitungen gestaltet werden. Schläuche mit sehr kleinen Durchmessern und kleinen Biegeradien sind möglich. Derzeit fertigen Cuntz und seine Kollegen ein endoskopisches Instrument mit einem Außendurchmesser von gerade einmal drei Millimetern.

Fachlicher Ansprechpartner
Dipl.-Ing. Timo Cuntz | Telefon +49 621 17207-114 | E-Mail senden

Pressekontakt
Axel Storz | Telefon +49 621 17207-366 | E-Mail senden

Fraunhofer-Projektgruppe für Automatisierung in der Medizin und Biotechnologie PAMB
Theodor-Kutzer-Ufer 1–3 | CUBEX41 | 68167 Mannheim | Website

 

 

3. Preis (zwei punktgleich bewertete dritte Plätze)

Elektronenstrahler für die automatisierte Impfstoffherstellung

Effektiv, langandauernd und frei von Nebenwirkungen sollen Impfstoffe Infektionskrankheiten in der Human- und Veterenärmedizin bekämpfen. Doch trotz der Fortschritte in der Impfstoffentwicklung gibt es immer noch einen großen Bedarf an Impfstoff-Technologien. Seit Jahrzehnten werden giftige Chemikalien wie Formaldehyd verwendet, damit Viren für Tot-Impfstoffe ihre Infektiosität verlieren. Sie kommen z. B. gegen Grippe, Kinderlähmung oder Hepatitis A zum Einsatz. Die Verwendung von Formaldehyd zur sogenannten Inaktivierung von Viren führt allerdings zu einer chemischen Veränderung der Antigene der Erreger, was eine abgeschwächte Wirksamkeit des Impfstoffs zur Folge hat. Ausgeglichen wird dies durch mehrmalige Auffrisch-Impfungen, erhöhte Mengen an infektiösem Ausgangsmaterial und Wirkungs-Verstärkern. Dadurch entstehen enorme Kosten und die gesellschaftliche Akzeptanz vieler Impfstoffe wird durch die Angst vor Nebenwirkungen vermindert. Außerdem konnten wegen der Grenzen des Formaldehyd-Verfahrens gegen eine Reihe von Infektionen bisher noch keine Impfstoffe entwickeltwerden.

Im Fraunhofer-Gemeinschaftsprojekt Elvira entwickelten die Institute FEP, IGB und IPA unter Leitung des IZI eine neue Methode zur Inaktivierung von Krankheitserregern für die Herstellung wirksamerer Impfstoffe ohne die Verwendung von Chemikalien. Dazu werden Viren in einer wässrigen Lösung (Virussuspension) mit niederenergetischen Elektronen bestrahlt, was zur Zerstörung ihrer RNA/DNA führt. Der Clou dabei: Die Erreger werden inaktiviert, aber die für die erfolgreiche Impfung kritischen Protein-Antigene bleiben erhalten.

Die IPA-Wissenschaftler Andreas Börner, Mario Bott, Christopher Laske und Martin Thoma entwickelten dazu das Gerät, das sich in marktübliche Elektronenstrahler integrieren lässt und einen kontinuierlichen Flüssigkeitsfilm mit einer Höhe von unter 150 μm in einer definierten Geschwindigkeit unter dem Strahlungsfenster hindurchführen kann. »Damit liefern wir die Hardware zu einem automatisierten Bestrahlungsverfahren, auf dem ein industriell implementierbarer Inaktivierungsprozess aufgebaut werden kann«, freut sich der Preisträger vom Fraunhofer IPA, Martin Thoma.

Fachlicher Ansprechpartner
Martin Thoma | Telefon +49 711 970-1336 | E-Mail senden

 

 

3. Preis (zwei punktgleich bewertete dritte Plätze)

Ein Bohrer mit drei Durchmessern und fünf Schneiden

Stand der Technik im Bereich der Bearbeitung von hoch innovativen Leichtbauwerkstoffen im Mehrschichtverbund stellen sogenannte One-Shot-Bohrer dar. Diese Bohrwerkzeuge können zwar die teilweise sehr unterschiedlichen Materialschichten bearbeiten, stellen jedoch hinsichtlich Prozessparametereinstellung als auch deren geometrischer Gestaltung einen Kompromiss dar. Reduzierte Standzeit und Abstriche bei der erzeugbaren Qualität sind die Folge.

Die Leichtbautechnologie-Experten Philipp Esch, Andreas Gebhardt und Alexander Weiß haben ein Bearbeitungsverfahren entwickelt, das Werkstoffe mit unterschiedlichen Zerspanungsanforderungen oder Werkstoffe mit sehr hohen Qualitätsanforderungen optimal bearbeiten kann. Dabei fokussierten sie sich auf Faserverbundkunststoff-Metall-Schichtverbunde, die zunehmend im Bereich der Luft- und Raumfahrt zur Übertragung höchster Kräfte Einsatz finden. Sie konzipierten ein bidirektionales Vollbohrwerkzeug, das seinen Bohrer exzentrisch auslenken kann, sodass die rückwärtige Schneide zum Einsatz kommt. Dahinter steht die Idee, für jeden Schichtwerkstoff die passende Schneide vorzuhalten. Des Weiteren ist der Bohrer in der Lage, im Ausdrehvorgang bei exzentrischer Auslenkung des Bohrwerkzeugs den Werkstoff in Form eines Konteraufbohrverfahrens zu bearbeiten. Die Bohrung und somit der Hauptanteil der wirkenden Vorschubkräfte findet also immer in das Werkstück hinein orientiert statt, wodurch Schädigungen und Bearbeitungsfehler wie Gratbildung etc. vermieden werden. Insgesamt besitzt das Bohrwerkzeug drei unterschiedliche Durchmessersegmente und fünf den jeweiligen Werkstoffen angepasste Schneiden.

Fachliche Ansprechpartner
Philipp Esch | Telefon +49 711 970-1557 | E-Mail senden
Andreas Gebhardt | Telefon +49 711 970-1538 | E-Mail senden

 

 

Hans-Jürgen Warnecke Innovationspreis

Die 1993 erstmals ausgelobten Preise werden seit 2012 unter dem Namen und der Schirmherrschaft von Hans-Jürgen Warnecke, ehemaliger Fraunhofer-Präsident und IPA-Institutsleiter a. D., verliehen. Alle Wissenschaftler des Fraunhofer IPA und der universitären Schwesterinstitute IFF, ISW, IfW und EEP können sich für die Auszeichnung bewerben. Die Themen müssen am IPA entwickelt oder zusammen mit IPA-Kunden
erarbeitet worden sein. Diese werden nach Kriterien wie Kreativität, Kundennutzen und methodisch-wissenschaftlicher Ansatz bewertet. Die unabhängige Fachjury setzt sich neben IPA-Institutsleiter Prof. Thomas Bauernhansl aus Dr. Norbert Leopold von der HWP Planungsgesellschaft, Dr. Wolfgang Rauh von der VITA Zahnfabrik H. Rauter und Dr. Jochen Schließer von Festo zusammen. Durch das Programm führen die IPAMitarbeiter Christoph Schaeffer, Leiter Patente und Lizenzen, und Dr. Günter Hörcher, Leiter Forschungsstrategie.