Auf dem Weg zu neuer Wertschöpfung im KFZ-Service

Studie Kfz-Service-Engineering 2020

Mediendienst Mai 2016 /

In dem gemeinsamen bundesweit einmaligen Projekt »Kfz-Service-Engineering 2020« nahmen die »Handwerkskammer für Oberfranken«, die Fraunhofer-Projektgruppe »Prozessinnovation« und der Lehrstuhl »Umweltgerechte Produktionstechnik« der Universität Bayreuth den Kfz-Service unter die Lupe. Heraus kamen nach vierjähriger Arbeit fünf zeitgemäße neue Formen eines Kfz-Service.

Das Berufsbild des traditionellen Kfz-Service hat sich mit Einf ührung der Diagnosecomputer zu Beginn der 1980er Jahre zu verändern begonnen. Obwohl immer noch ölverschmierte Hände das Bild einer Autoreparatur prägen, entfällt heute mehr als die Hälfte der Arbeitszeit in Reparaturwerkstätten auf die Suche nach Fehlern mit Computern und –Software. Computergestützte Fehlersuche und Neuprogrammierung von Steuergeräten erfordern andere Fähigkeiten gegenüber klassischen handwerklichen Fertigkeiten. Vor allem freie Werkstätten stehen angesichts der andersartigen Aufgaben vor existenziellen neuen Herausforderungen.


Wegwerftrend und neue Technologien

Im Falle eines Defekts sind einzelne Elektronik- und Mechatronikkleinteile in der Regel nicht liefer- und austauschbar. Es müssen gleich größere Module bzw. ganze Baugruppen wie elektronisch geregelte Turbolader, Servolenkungen, Kurvenlicht-Scheinwerfersysteme komplett ersetzt werden. Dabei können die Ersatzteilpreise schon bei einem sieben bis zehn Jahre alten Fahrzeug leicht an den Zeitwert des Fahrzeugs heranreichen oder diesen übersteigen. Diese Entwicklung ist nicht nur teuer, sie leitet
auch einen unnötigen Wegwerftrend ansonsten verkehrssicherer Autos ein, wie er bei hochwertiger Informations- und Kommunikationselektronik, z. B. Laptop, Computer, iPads, Smartphones und Flat-Screen TV, bereits zu beklagen ist.

Gleichzeitig geht auch Wertschöpfung im Kfz-Handwerk verloren. Werden anstelle von Reparaturen neue Baugruppen eingesetzt, profitieren davon vermehrt Zulieferer – nicht selten im Ausland zu Lasten der Beschäftigung im Inland.

Darüber hinaus halten gleich mehrere neue Technologien in unsere Automobile Einzug, wobei Fahrerassistenzsysteme, neue Karosseriewerkstoffe, neue Einspritzsysteme nie dagewesener Präzision sowie die Elektromobilität als vier Trends gelten können, die den Kfz-Service gleichfalls vor erheblich neue Herausforderungen stellen.


Zehn typische neue Servicefälle und -prozesse

Damit die Werkstätten dieser Entwicklung gewachsen sind, identifizierten Teams aus Ingenieuren und Kfz-Meistern zehn typische Servicefälle, entwickelten exemplarisch dazugehörige Serviceprozesse und erprobten und dokumentierten diese fallweise so, dass auch Handlungsanleitungen für das Kfz-Handwerk entstanden. Schließlich klassifizierten die Experten diese in drei Service-Kategorien, die ersatzteil-, technologietrendund phänomengetriebenen Servicefälle und -prozesse. Zu dem ersten Bereich zählen die Experten das Doppelkupplungsgetriebe, elektrohydraulische und elektromechanische Servolenkung, LED-Scheinwerfer und Kurvenlicht sowie Turbolader mit variabler Geometrie. Fahrerassistenzsysteme, faserverstärkte Karosseriewerkstoffe, die Common-Rail-Injektoren sowie die Elektromobilität machen den zweiten Bereich aus. In den dritten fallen sporadische Ausfälle und die präventive Ferndiagnose.


Fazit: Fünf neue Formen des Kfz-Service

Für dieses ganzheitliche Szenario identifizierte nun das Projektteam »Kfz Service Engineering 2020« fünf neue Formen des Kfz-Service:

  • Innovationen für Austauschoptionen kleinerer Module
  • Ausweitung des Refabrikations-Know-how auf neues Produkt-Terrain
  • Entwicklung neuer In-situ-Instandsetzungstechnologien im Kfz
  • Bildung mehrerer neuer Kommunikations- und Kooperations-Netzwerke
  • Kfz-Bauteil-Regeneration mit additiven Fertigungsverfahren

Mit diesen geben die Projektbeteiligten die technologischen Impulse, um zukünftig das Handwerk wieder stärker wertschöpfend und zusätzlich für den Kunden bezahlbar zu machen, den automobilen Fortschritt sicher zu beherrschen und – nicht zuletzt – den teilnehmenden oberfränkischen Kfz-Handwerksbetrieben einen Vorsprung im harten Wettbewerb zu verschaffen. Dabei sieht Prof. Rolf Steinhilper, Leiter der Fraunhofer-Projektgruppe »Prozessinnovation« einen erfreulichen Doppeleffekt: »Mit den erarbeiteten neuen Serviceprozessen erfährt einerseits so manche traditionelle handwerkliche Fertigkeit ihre Renaissance, andererseits wachsen auch die Kompetenzen zum Megatrend ›Digitalisierung‹ so weiter, dass der Kfz-Service auch den autonom fahrenden Automobilen von morgen gewachsen sein wird.«

Informationen kompakt

»Studie ›Kfz-Service-Engineering 2020‹ – Technologieentwicklung, Ersatzteileversorgung und Refabrikation für das Kfz von morgen«

Herausgeber: Handwerkskammer für Oberfranken, Universität Bayreuth, Lehrstuhl für Umweltgerechte Produktionstechnik, Fraunhofer IPA, Projektgruppe Prozessinnovation in Bayreuth

Autoren: Prof. Dr.-Ing. Rolf Steinhilper, Dr.-Ing. Stefan Freiberger, Dipl.-Ing. Alexander Nagel, Dipl.-Ing. Christian Schuh, Dipl.-Geogr. Thomas Koller, Dipl.-Ing. Johanna Erlbacher

Projektlaufzeit: 1.2.2011 bis 31.8.2015

Das Projekt und der Ergebnisbericht wurde mit Mitteln des Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie gefördert.