Ohne Kompromisse:

Vorzüge von 3D-Druck und Spritzguss kombiniert

Mediendienst März 2018 /

Wissenschaftler des Fraunhofer IPA haben ein neues Verfahren entwickelt, das die Vorzüge von 3D-Druck und Spritzguss vereint. Beim additiven Freiformgießen wird erst die Hülle des Bauteils mit FLM-Druck hergestellt und anschließend mit einem Zwei-Komponenten-Harz befüllt. Das spart Zeit, steigert die Stabilität des Bauteils und ermöglicht es, neue Materialien zu verdrucken.

© Fraunhofer IPA
Beim additiven Freiformgießen wird die Hülle des Bauteils im FDM-Druck aufgebaut. Anschließend befüllt eine Dosiereinheit im Drucker die Form mit einem Zwei-Komponenten-Gemisch.

Additive Fertigung, auch 3D-Druck genannt, bietet der Industrie heute schon viele Vorteile. »Man gibt die CAD-Daten des Werkstücks ein und erhält ein fertiges Bauteil«, weiß IPA-Experte Jonas Fischer. Kleinserien, Prototypen und Einzelanfertigungen lassen sich schneller und preiswerter fertigen als im Spritzguss. Außerdem lassen sich komplexe Strukturen und integrierte Funktionalitäten realisieren. Es gibt aber noch Schwachstellen.


Nur drei Minuten zum Aushärten

Beim FLM-Druck (Fused Layer Modelling), der meistverbreiteten Methode, legt eine Düse das Druckmaterial in Strängen parallel zueinander ab. Dadurch entstehen Bindenähte und Porositäten. »Das Material liegt nicht ‚voll‘ in der Form, wie etwa beim Gießen. Dadurch sind die mechanischen Eigenschaften des Bauteils schlechter«, kritisiert Fischer. Außerdem trägt die Düse beim FLM-Verfahren jede Schicht einzeln auf. Bis ein großes Bauteil aufgebaut ist, vergeht viel Zeit. Ein dritter Nachteil ist, dass sich mit dem FDMDruck nur Kunststoffe verarbeiten lassen, die beim Erhitzen weich werden – sogenannte Thermoplaste. Duroplaste, die nach dem Aushärten trotz Wärmezufuhr stabil bleiben, können nicht verdruckt werden.

Mit dem additiven Freiformgießen haben Forscher am Fraunhofer jetzt einen Weg gefunden, diese Nachteile zu verringern. Dafür haben sie den additiven Prozess mit einem Gießverfahren kombiniert. Im ersten Schritt wird die Hülle des Bauteils mit dem FLM-Verfahren hergestellt. Als Druckmaterial verwenden die Experten den wasserlöslichen Kunststoff Polyvinylacetat (PVA). Anschließend wird die Hülle automatisch mit einer präzise dosierten Menge an Polyurethan oder Epoxidharz gefüllt. Bei Polyurethan dauert es nur drei Minuten, bis die Füllung getrocknet ist. Anschließend kann das Bauteil mit dem gleichen Prinzip beliebig in die Höhe erweitert werden. Sobald der Prozess abgeschlossen und das Bauteil ausgehärtet ist, wird die Form im Wasserbad entfernt. So entsteht ein 3D-gedrucktes Werkstück, mit Eigenschaften, die dem Spritzguss ähneln.

© Fraunhofer IPA, Rainer Bez
Die IPA-Forscher die Machbarkeit des Verfahrens nachgewiesen und mehrere Prototypen realisiert.

Fertigung »am Stück« möglich

Um das Füllmaterial in die Hülle zu gießen, haben die IPA-Forscher eine spezielle Dosiereinheit für zweikomponentige Materialien im 3D-Drucker verbaut. Somit ist es möglich, das gesamte Verfahren, also den Druck der Hülle und die Füllung, »am Stück« durchzuführen. Der Druckprozess muss nicht unterbrochen werden und lässt sich wie beim herkömmlichen 3D-Druck vollständig digitalisiert steuern. Außerdem lassen sich mit dem Verfahren Zwei-Komponenten-Harze verarbeiten. Hitzebeständige Duroplaste können als Baumaterial eingesetzt werden. Außerdem sei das Bauteil viel schneller aufgebaut. »Man muss nur die Hülle drucken, den Rest überlässt man der Schwerkraft«, sagt Fischer. Nicht zuletzt seien die Bauteile deutlich stabiler, weil das Material die Form komplett ausfüllt und somit keinerlei Porositäten oder Lufteinschlüsse entstehen. Die neue Methode eignet sich für verschiedenste Anwendungsbereiche und Branchen. »Elektrisch isolierende Bauteile wie Steckdosen lassen sich damit herstellen. Auch für Schäume und Polster, wie sie bei Sicherheitselementen benötigt werden, ist das Verfahren geeignet«, erklärt Fischer. Prinzipiell bringe das kombinierte Freiformgießen immer dann Vorteile, wenn große, komplexe Bauteile in kleiner Stückzahlbenötigt werden. Außerdem lasse sich dadurch Gewicht einsparen.


Partner zur Weiterentwicklung gesucht

In einem Vorlaufforschungsprojekt haben die IPA-Forscher die Machbarkeit erfolgreich nachgewiesen. Außerdem wurden verschiedene Bauteile als Prototypen realisiert. Jetzt suchen die Forscher nach Industriepartnern, die sie dabei unterstützen, den Prozess zur Serienreife weiterzuentwickeln. Gefragt sind auch Materialhersteller, die gemeinsam mit den Forschern die Eigenschaften des Zwei-Komponenten-Gemischs verbessern. Ebenso sind Unternehmen willkommen, die Ideen für verschiedene Anwendungsbereiche von Duroplasten einbringen.