»Darf ich stören?« –

Roboter sollen lernen, zwischenmenschlich sensibel zu agieren

Mediendienst Dezember 2017 /

Einen Gegenstand entgegennehmen oder ihn einer anderen Person reichen: Für Menschen gehört das zu den natürlichsten, einfachsten Handlungen. Doch für Roboter ist es eine schwierige Angelegenheit. Denn dafür ist nicht nur in Bezug auf die physische Interaktion eine gewisse Feinfühligkeit nötig: Wohin schaut der andere? Ist er ansprechbar? Menschen nehmen Signale, die die Aufmerksamkeit ihres Gegenübers reflektieren, unterbewusst wahr und verhalten sich entsprechend. Dieselbe Sensibilität auch Robotern beizubringen, daran arbeiten Forscher im Rahmen des neu gestarteten Projekts »Aufmerksamkeits-Sensitiver AssistenzRoboter« (ASARob).

© DENIZ SAYLAN – www.denizsaylan.com
Der Care-O-bot ist speziell für die Interaktion mit und die Unterstützung von Menschen in Alltagsumgebungen geeignet und kann aufgrund seiner Modularität einfach an unterschiedliche Aufgaben angepasst werden. So begrüßt er als »Paul« beim Elektronik-Einzelhändler »Saturn« die Kunden und führt sie durch das Geschäft.

Roboter brauchen grundlegende Fähigkeiten der Interaktion, wenn sie Menschen etwa im Haushalt oder in Pflegeeinrichtungen hilfreich zur Seite stehen sollen. Beispielsweise müssen sie Dinge sicher entgegennehmen und weiterreichen können. »Dafür reicht es nicht, dass der Roboter, zum Beispiel per Kamera, den Gegenstand selbst wahrnimmt«, erläutert Sebastian Robert, der am Fraunhofer IOSB für die Gesamtleitung des Projekts zuständig ist. »Um sich erwartungskonform, also zwischenmenschlich kompatibel verhalten zu können, muss der Roboter auch erkennen, worauf sein menschliches Gegenüber gerade die Aufmerksamkeit richtet, und verstehen, welche Absichten er verfolgt«, sagt der Doktor der Staatswissenschaften.

Algorithmen zum Einschätzen und Beeinflussen der Aufmerksamkeit

Mit diesem Thema beschäftigt sich seit August 2017 das auf drei Jahre angelegte Forschungsprojekt ASARob, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit rund zwei Millionen Euro gefördert wird. Konkretes Ziel ist es, die Steuerungssoftware mobiler Roboter so zu erweitern, dass diese den Aufmerksamkeitszustand ihres Gegenübers erfassen und bei Bedarf durch entsprechende Aktionen auch beeinflussen können.

Als Testsystem für die exemplarische Umsetzung dieser Fähigkeiten dient der vom Stuttgarter Fraunhofer IPA und der Unity Robotics GmbH entwickelte Care-O-bot® 4. Der mobile Assistenzroboter ist speziell für die Interaktion mit und Unterstützung von Menschen in Alltagsumgebungen geeignet und kann aufgrund seines modularen Aufbaus (z. B. Ausstattung mit oder ohne Roboterarme) einfach an unterschiedliche Aufgaben angepasst werden. Das Fraunhofer IPA ist im Forschungsprojekt ASARob unter anderem für die Koordination der Integration der Einzeltechnologien und für die Umsetzung der Anwendungsszenarien auf dem Roboter zuständig.

Im Kontext der Aufmerksamkeitsschätzung beschäftigen sich die Forscher am Fraunhofer IPA des Weiteren damit, Umgebungsinformationen zu erfassen, die für die Analyse des aktuellen Nutzerverhaltens relevant sind. Der Care-O-bot® 4 soll also zum Beispiel Gegenstände detektieren, mit denen der Nutzer gerade interagiert oder als nächstes interagieren könnte. Diese Informationen soll er im Folgenden nutzen, um entsprechende Unterstützung anzubieten. Dabei sollen die Arme des Roboters nicht nur für den Transfer von Gegenständen zum oder vom Nutzer eingesetzt werden. Es soll auch untersucht werden, inwiefern die Bewegungsführung der Roboterarme zur Aufmerksamkeitssteuerung und -lenkung eingesetzt werden kann.

Nutzerstudien und sprachliche Dialogfähigkeit

Die Bedürfnisse potenzieller Anwender und durch das Projektvorhaben aufgeworfene ethische, rechtliche und soziale (sogenannte ELSI-)Aspekte werden vom Leipziger Fraunhofer-Zentrum für Internationales Management und Wissensökonomie IMW erforscht. Die Fraunhofer-Ökonomen stellen frühzeitig eine Marktorientierung sicher und nehmen wirtschaftliche Aspekte im Projekt, wie die Werttreiber und die Zahlungsbereitschaft zukünftiger Anwender, unter die Lupe.

Um herauszufinden, ob die Einschätzung des Aufmerksamkeitszustands durch den Roboter den Tatsachen entspricht, werden in Nutzerstudien Biosignale aufgezeichnet und ausgewertet. So können die Forscher den realen Aufmerksamkeitszustand mit der berechneten Einschätzung abgleichen. Für diesen Part des Projekts ist das Cognitive Systems Lab CSL der Universität Bremen verantwortlich.

Nach der Aufmerksamkeitsschätzung folgt die Umsetzung in passendes Verhalten. Auch das ist Teil des Projekts: Der Roboter soll am Ende in der Lage sein, intuitiv mit Menschen zu interagieren, und insbesondere auch auf ältere Menschen zugehen und diese im Alltag unterstützen können. Dazu gehört neben Gesten auch die sprachliche Kommunikation in Form von Dialogen. Diese Fähigkeit wird die Semvox GmbH beisteuern. Das geriatrische Zentrum in Karlsruhe-Rüppurr und das geriatrische Netzwerk in Leipzig sind als potenzielle Nutzer des Roboters am Projekt beteiligt. In deren Einrichtungen sollen relevante Anforderungen an die Technik identifiziert, der Roboter praxisnah bei der Personenführung sowie beim Anreichen von Interaktionsmedien an die Bewohner erprobt und seine Fähigkeit zum Umgang mit Senioren evaluiert werden.

Steckbrief


Projekttitel: ASARob – Aufmerksamkeits-Sensitiver AssistenzRoboter

Projektpartner:

  • Fraunhofer-Institut für für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB (Koordination)
  • Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA
  • Fraunhofer-Zentrum für Internationales Management und Wissensökonomie IMW
  • Cognitive Systems Lab der Universität Bremen
  • Unity Robotics GmbH
  • SemVox GmbH

Einbindung als Unterauftragnehmer:

  • Geriatrisches Zentrum Karlsruhe
  • GeriNet Leipzig

Fördermittel: ca. 2 Mio €

Fördermittelgeber: Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)

Laufzeit: 1. August 2017 bis 31. Juli 2020

Weitere Informationen: https://www.care-o-bot.de/de/care-o-bot-4.html